18.- 19. April 2024
Depression, mehr als eine psychische Erkrankung
08.02.2024 - 17:06

Depression, mehr als eine psychische Erkrankung

Viele Menschen mit Depression leiden zusätzlich an einer körperlichen Erkrankung. Gibt es biologische Mechanismen, die diesem Zusammenhang zugrunde liegen? Und was bedeutet das für die Therapie?

Anhaltend gedrückte Stimmung gepaart mit Freud- und Antriebslosigkeit sowie etlichen weiteren potenziellen Begleitsymptomen, darunter Konzentrations- oder Schlafstörungen: Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass weltweit rund 280 Millionen Menschen an einer Depression leiden. Bei Erwachsenen liegt der Anteil der Betroffenen bei fünf Prozent. Damit ist die Krankheit nach Angststörungen die häufigste psychische Störung. Die Fachwelt geht davon aus, dass eine Depression aus einem komplexen Zusammenspiel verschiedener biologischer, sozialer und psychologischer Faktoren entsteht. Bei manchen sorgen die Gene für ein erhöhtes Depressionsrisiko. Zusätzlich begünstigen negative Lebensereignisse wie Traumata, Arbeitslosigkeit oder Trennungen das Entstehen der Erkrankung. Gleiches gilt für körperliche Leiden, darunter etwa Krebs, Stoffwechsel- und Herz-Kreislauferkrankungen.

Tatsächlich haben etwa 20 Prozent der Menschen mit körperlichen Erkrankungen gleichzeitig eine Depression, so Professor Dr. med. Christian Otte, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Charité Universitätsmedizin Berlin. [JD1]Ein offensichtlicher Zusammenhang ist folgender: Die psychische Belastung durch die körperliche Erkrankung kann eine Depression begünstigen. Umgekehrt kann sich das körperliche Leiden durch das psychische verschlimmern. Otte ist Experte für die Behandlung von Depressionen mit somatischen Komorbiditäten und plädiert unter anderem dafür, die potenziellen Wechselwirkungen der einzunehmenden Medikamente sorgfältig zu überprüfen. Was ist bei dieser Patientengruppe noch zu beachten? Wie gut wirken bei den Betroffenen Antidepressiva? Sind sie ebenso sicher wie bei Menschen ohne körperliche Erkrankung?

Ungewöhnlich häufig treten Depressionen in Verbindung mit Krankheiten auf, die das kardio-metabolische und/oder kardio-vaskuläre System betreffen. Dazu zählen unter anderem Typ-2-Diabetes, Adipositas oder Bluthochdruck. Zudem ist die Depression ein psychosozialer Risikofaktor für die Entstehung der koronaren Herzkrankheit. Bei herzkranken Menschen wiederum ist aufgrund der körperlichen Symptome – darunter Brustschmerzen, Atemnot und verringerte Leistungsfähigkeit – die Lebensqualität beeinträchtigt. Dies begünstigt die soziale Isolation und negative Gefühlszustände, was eine Depression auslösen kann.

Dr. med. Monika Sadlonova, Oberärztin an der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie und der Klinik für Geriatrie der Universitätsmedizin Göttingen, ist Expertin für psychokardiologische Therapien in der Herzchirurgie und Kardiologie. Im Symposium spricht sie über die vielfältigen Mechanismen der körperlichen und psychischen Wechselwirkung bei Herzerkrankten mit einer komorbiden Depression. Welche Faktoren haben auf der Verhaltens- und körperlichen Ebene einen Einfluss? Welche Maßnahmen können die Lebensqualität der Herzerkrankten erhöhen? Warum wirken Antidepressiva aus der Klasse der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) bei Patienten mit Depression und koronarer Herzkrankheit, nicht aber bei solchen mit einer Herzschwäche? Und welche Rolle spielen Veränderungen der Darmflora?

Professor Stefan Gold, Leiter Bereich Neuropsychiatrie an der Charité Universitätsmedizin Berlin, erforscht die möglichen Zusammenhänge von kardio-metabolischen Krankheiten und Depression schon lange. Welche biologischen Prozesse könnten für das gehäufte gemeinsame Auftreten verantwortlich sein? Eine Erkenntnis der letzten Jahre ist etwa, dass chronisch unkontrollierte Entzündungen, sowohl Stoffwechselstörungen und Herz-Kreislaufbeschwerden als auch depressive Symptome begünstigen. Und in Tiermodellen zeigte sich, dass eine unregulierte Aktivierung des Immunsystems die Verbindung zwischen Übergewicht und depressionsähnlichem Verhalten herstellt. Was bedeutet das für Menschen, die an einer Kombination von und kardio-metabolischen Erkrankungen und Depressionen leiden? Lassen sich die ungünstigen Immunreaktionen irgendwie stoppen und so die Depressionen therapieren? 

Ein Symposium über eine vielschichtige psychische Störung, die offenbar nicht nur im Gehirn entsteht.

 

Quellen:

https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/depression

https://de.statista.com/infografik/22218/haeufigste-psychische-erkrankungen-in-deutschland/

Gold, S.M. et al.: Comorbid depression in medical diseases. Nature Reviews Disease Primers 6 (69) (2020). https://doi.org/10.1038/s41572-020-0200-2

Köhler-Forsberg O. et al.: Efficacy and Safety of Antidepressants in Patients With Comorbid Depression and Medical Diseases: An Umbrella Systematic Review and Meta-Analysis. JAMA Psychiatry (2023). https://doi:10.1001/jamapsychiatry.2023.2983

Brasanac, J. et al.:  Cellular specificity of mitochondrial and immunometabolic features in major depression. Molecular Psychiatry 27, p. 2370–2371 (2022). https://doi.org/10.1038/s41380-022-01473-2

Levine, G.N. et al.: Psychological Health, Well-Being, and the Mind-Heart-Body Connection: A Scientific Statement From the American Heart Association. Circulation, 143(10):e763-e783 (2021). https://doi.org/10.1161/CIR.0000000000000947  

Wu Y et al.: New Insights Into the Comorbidity of Coronary Heart Disease and Depression. Current Problems in Cardiology 46(3):100413 (2021). https://doi.org/10.1016/j.cpcardiol.2019.03.002

[JD1]https://www.charite.de/service/pressemitteilung/artikel/detail/antidepressiva_bei_koerperlichen_erkrankungen_und_gleichzeitiger_depression/